Ich war nie eine leidenschaftliche Schwimmerin, war nie zu dem geworden, was man landläufig eine Wasserratte nennt. Vielleicht fehlte es mir am inspirierenden Schwimmunterricht, da gab es nämlich keinen, vielleicht hatte ich aber auch einfach nichts am Hut mit dem Element Wasser. Als ich einst von meiner Energetikerin gefragt wurde, war mir auf Anhieb sonnenklar, dass meine Elemente Wind und Feuer sind, ein gutes Duo, wie sie meinte.
Und dennoch war ich stets fasziniert von Meer- und Seeblicken, von Flüssen und Bächen, nur besuchte ich sie meist nur kurz um Abzukühlen, aber bei Gott nicht, um mich länger dort aufzuhalten. Mir wurde schnell kalt und ich hatte ganz offen gestanden Angst. Ich wollte nie zu weit hinausschwimmen, hatte Wadenkrämpfe im Kopf, die es mir unmöglich machen könnten, an Land zu kommen oder Algen bzw. sonstige Gewächse, an denen ich möglicherweise festhängen und nicht mehr loskommen könnte und im Zuge dessen elendiglich ertrinken müsste.
So hatte ich wie immer vor, im Sommerurlaub weniger zu schwimmen, als dafür jede Menge Bücher zu lesen. Bereits vor dem Urlaub begann ich mit dem Buchtipp meiner belesenen Freundin mit dem vielversprechenden Titel „Experiment Hingabe„. Ein weiterer fabelhafter Buchtipp findet sich hier: Wie ich fast nicht ankam.
Experiment Hingabe behandelt die Geschichte des Autors Michael A. Singer, der früh die Kraft der Meditation entdeckt und schon in jungen Jahren beschließt, sein Leben abgeschottet und meditierend in Wäldern zu verbringen. Bald stellt er jedoch fest, dass das Leben erst dann seinen richtigen Weg einschlägt, wenn man die Hinweise des Lebens erkennen und deuten kann. Nicht seinem Ego solle man folgen, sondern den Zeichen, die einem das Leben sende. Wenn wir es schafften, auch aufkommende Widerstände zu überwinden, uns also ganz dem Leben hinzugeben, dann seien wir genau richtig – auf unserem vorgegebenen Weg, auf den wir auch hingehörten. So wird aus dem Aussteiger Singer ein Lehrer an einem College und später CEO eines riesigen IT-Unternehmens.
Begeistert verschlang ich die faszinierende Geschichte und nahm mir vor, ab sofort nach solchen Zeichen Ausschau zu halten. Ich musste nicht lange warten. Bereits auf dem Weg in den Urlaub erhielt ich eine Nachricht, ob ich nicht Lust hätte, bei einer sommerlichen Cardiochallenge mitzumachen: ab sofort 30 Tage täglich je 30 Minuten Cardiotraining. Oh no, dachte ich, nicht im Urlaub, nicht jetzt, wo ich mich ausruhen und viel lesen möchte. Der Widerstand, der sich in mir regte, war groß. Ich verstand. Bin dabei, tippte ich.
Der Urlaubsort empfing mich mit strahlendem Sonnenschein. Der See funkelte blau in der Sonne. Wie sollte ich es anstellen? Laufen, Radfahren, Yoga und Schwimmen waren erlaubt. Es lohnte sich heute nicht mehr, ein Rad auszuborgen. Die Laufschuhe hatte ich nicht mit, auch nicht die Yogamatte und außerdem war es für das alles viel zu heiß. Langsam glitt ich ins Wasser. Stetig kam ich voran. Schwatzende Frauen, lachende Kinder, übermütige Jugendliche zogen an mir vorbei. Die Menschen ringsum wurden kleiner, die Stimmen leiser. Plötzlich war ich allein fernab vom Ufer. Niemand würde meine Hilfeschreie hören, sollte ich von Wadenkrämpfen heimgesucht werden. Niemand würde mich sehen, wenn mich hochrankende Wasserpflanzen umschlangen.
Mir war überraschend warm. Die Bedächtigkeit meiner Schwimmbewegungen begann sich auf meinen Geist auszuweiten. Meine Gedanken flogen mit den Wolken davon. Der Schwan, der eine Weile neben mir hergeschwommen war, nickte mir höflich zu, als er anhielt, um sich seiner Körperwäsche zu widmen. Ich begann die menschenleere Stille vereint mit der endlosen Weite mehr und mehr zu genießen. Alles war leicht und frei, geschmeidig und weich. Ich war nicht in Gefahr. Ich war in noch nie dagewesener, absoluter Sicherheit. Es kam mir vor, als läge ich in einem Becken voller warmer, seidiger Kristalle. Als verkörpere der See Mutter Erde höchstpersönlich, der nichts mehr am Herzen lag, als mich in Sicherheit zu wiegen. Ich verspürte das Verlangen hierzubleiben.
Am nächsten Tag schwamm ich wieder. Und am übernächsten und am überübernächsten. Ich fand mich oftmals mitten am See. Es war großartig. Wovor hatte ich nochmal Angst gehabt?
Meine kleine Welt war ein Stückchen weiter geworden. Vielleicht konnte ich die Zeichen nicht immer sehen, aber hin und wieder. Hin und wieder könnte ich gegen meinen inneren Widerstand ankämpfen. Hin und wieder könnte ich Dinge tun, die ich bis jetzt für unmöglich gehalten hatte. Mehr und mehr könnte ich Ängste besiegen. Größer, stärker, reicher werden. Kleine Siege davontragen. Mich selbst bezwingen. Erkennen, dass die Welt nicht aus Grenzen, sondern aus kleinen und großen Abenteuern besteht.
Danke soul-fit für den großartigen Buchtipp! Danke für die bahnbrechende Summer Cardiochallenge 2020!
2 Kommentare
Schön, wie du den „Weg“ hinein in dieses wunderbare Erlebnis beschreibst. Wir kommen ja alle aus dem Wasser (in mehrfacher Hinsicht) – und sich vom Wasser tragen zu lassen, umfassen und beleben, das kann auch ein Kommunikations-Erlebnis besonderer Art sein… Danke, Gabi
Liebe Gabi! Ich mag zwar das Element Wasser sehr und liebe es zu schwimmen, aber ich hätte es nie so formulieren könnnen wie du! Einfach toll wie du Eindrücke wahrnimmst und zu Worten formen kannst!