Und plötzlich ist nichts

Baumreihe im Nebel des Nichts

Meine Kehle ist trocken, es kommen keine Worte mehr. Alles ist gesagt, alles gefragt, alles getan. Mein Körper ist schlaff, matt und reglos liegt er da.

Was war ich stolz auf mich und dann wieder enttäuscht von mir. Habe durchgeatmet, die Zähne zusammengebissen, durchgehalten. Ich bin hingefallen, darnieder gelegen, bin aufgestanden, habe von vorne begonnen. Habe Versuche gestartet, immer wieder Neues probiert, Dinge verändert, bin in alte Muster verfallen. War sanft und verständnisvoll, hart und unerbittlich. Habe mich aufgebäumt, um mich dann wieder hinzugeben.

Der Mond im Nebel zu sehenIch habe Tage geliebt und Tage gehasst, mich durch schlaflose Nächte gewälzt, bin in friedvolle Träume gefallen. Ich wurde von Sorgen zerfressen, von Hoffnungen beflügelt. Habe Ängste durchlebt, an Zuversichten geglaubt. Habe Wunden geheilt, neue aufbrechen lassen. Habe Tränen geweint und Tränen gelacht.

Ich habe mein Bestmöglichstes gegeben und mein Schlechtestmöglichstes. Ich war außer mir, war zerrissen und dann wieder fokussiert. Ich hatte alle Sinne beisammen und war in Gedanken zerstreut.

Da – ein Windhauch. Er durchstreift meinen Körper und lässt mich verwirrt zurück. Verwundert sehe ich all diese Gedanken, die ich gerade gedacht habe, an denen ich eben noch so  leidenschaftlich hing, wie Raketen an mir vorbeisausen. All das Gegrüble, das mir oftmals mein Jetzt versaute, meinen Augenblick zerstörte, zieht wie eine Rauchschwade an mir vorüber. Es hat sich verselbstständigt, losgelöst von dem, was ich zu sein glaube. Es betrifft mich nicht. Es gehört mir nicht.

Baum in Nebelschwaden führt ins nichts

Da ist plötzlich kein Pochen mehr im Ohr, kein Ziehen in der Brust, keine Enge in der Kehle. Kein Heute, kein Morgen, kein Tag und keine Nacht. Keine To-do-Listen, keine Dankbarkeitsrituale, keine Tagesordnung. Da ist kein Aufbäumen und kein Angepasstsein. Kein Hunger, kein Durst, keine Müdigkeit. Keine Sehnsucht, keine Kälte und auch keine Wärme. Kein Hoffen, keine Trauer und auch keine Angst.

Da ist nichts. Nur noch ich. Ich ohne Kämpfen und ohne Mühen. Ich ohne Wollen und Müssen. Ich ohne Vorurteile und Wertungen. Ohne Erwartungen an mich, ohne Erwartungen an die Welt.

Jetzt, wo ich aus meinen Gedanken herausgefallen bin, bin ich leicht wie eine Feder. Leer wie ein Gefäß, das offenen Herzens auf die nächste Füllung wartet. Jetzt, wo ich ohne Gedanken bin, ohne Vergangenheit und Zukunft, entspannen sich meine Glieder. Werden meine Züge weich.

Ich bleibe noch in diesem wunderbaren Nichts. Ich lasse mich, lasse mich gehen. Ich habe plötzlich das Gefühl, dass sich alles ganz ohne mein Zutun fügen wird.

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4 Kommentare

  1. Liebe Gabi,
    diese Erfahrung von Erlösung ist wirklich ein Geschenk…
    du sprichst vom Bild eines Hauches… mir fällt der Hauch ein, mit dem eine Mutter die Wunde eines Kindes heilen hilft… mir fällt der Geist Gottes ein, der mit unaussprechlichen Seufzen für uns eintritt, weil er weiß, was wir brauchen…
    noch ein Bild ist mir eingefallen: der Barmherzige Vater, der dich erwartet, von weitem sieht, nicht beurteilt, sondern mit Liebe umhüllt und dir Ansehen und Würde schenkt und dir ein Fest bereitet… Danke für dein Mitteilen! Georg

  2. Deine Worte berühren mich sehr. Genauso empfinde ich es beim Meditieren, dieser tiefe Friede, der mich in schwierigen Zeiten trägt und hoffen lässt.
    Du hast ein außergewöhnlich Talent, Emotionen zu beschreiben. Ich freue mich immer sehr auf einen neuen Beitrag.

    1. Mah danke Nina, das freut mich unbekannterweise sehr sehr… Wenn du gute Meditationstipps hast, freue ich mich über Austausch!

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